Die Anforderungen in den Callcentern steigen und gleichzeitig wird es immer schwieriger, genügend gutes Personal zu rekrutieren. Umso wichtiger sind Employer Branding und eine nachhaltige Personalentwicklung. Der Prozess beginnt bei der Rekrutierung, denn hier werden die Weichen für den Erfolg gestellt. Wer heute noch auf langwierige Bewerberprozesse setzt, gehört zum alten Eisen. Lesen Sie mehr im Interview, wie der digitale Rekrutierungsprozess funktioniert.
SQUT: Bevor wir loslegen, sagen Sie uns bitte kurz, wer Sie sind und was Sie welchen Kunden bieten.
Hintz: Mein Name ist Tibor Hintz und ich bin verantwortlich für die strategische Ausrichtung der Job Bude Digital. Ich habe die Firma vor mittlerweile über drei Jahren mitgegründet. Davor habe ich über vier Jahre erfolgreich Facebook-Kampagnen zur Kundengewinnung z. B. für Onlineshops geschaltet. Mittlerweile habe ich über 2 Millionen Euro Werbebudget verwaltet – und das profitabel. Ich weiß somit, was funktioniert und was nicht. Wir setzen auf Social Media und vermitteln Callcenter-Mitarbeiter:innen. In mehr als zehn von elf Fällen besetzen unsere Kunden erfolgreich ihre Stellen über uns.
SQUT: Aktuell ist es wahrscheinlich schwerer, neue Mitarbeiter:innen zu gewinnen, als neue Kunden. Dementsprechend viele Jobplattformen und Recruiter gibt es. Wer sind Ihre Mitbewerber und welche sind Ihre USPs?
Hintz: Unsere größten Mitbewerber sind unserer Kunden selbst, wenn diese ebenfalls stark im Bereich Social Media aktiv sind. Eine direkte Konkurrenz zu Jobplattformen und Recruiter sehe ich an dieser Stelle allerdings weniger. Unsere Kunden bekommen Zugriff auf den größten Arbeitsmarkt. Anstatt nur die anzusprechen, die derzeit aktiv nach einem Job suchen und auf Job-Plattformen mit extrem viel Konkurrenz unterwegs sind, sollte man die viel besseren Kandidaten kontaktieren, also die, die derzeit einen Job haben aber unzufrieden sind. So fischen Sie in einem viel größeren Teich mit überaus geeigneten Kandidaten.
SQUT: Neue Mitarbeiter über Facebook und Instagram einstellen. Wie geht das
Hintz: Unsere Methode bringt Callcenter und Callcenter-Mitarbeiter:innen zusammen, die mit ihrem aktuellen Job unzufrieden sind. Wir setzen eine spezielle Technologie ein, die wechselwillige Kandidat:innen identifiziert und gezielt anspricht. So bewerben sich Kandidat:innen aus der Region direkt beim Callcenter. Darüber hinaus unterstützen wir unsere Callcenter mit modernen Techniken der Mitarbeiterrekrutierung, damit die Bewerber:innen in wenigen Wochen zu neuen Mitarbeiter:innen werden.
SQUT: Gibt es überhaupt noch Callcenter-Mitarbeiter:innen, die auf Jobsuche sind?
Hintz: Thorsten Moortz, ein bekannter Berater im Handwerk, mit dem wir viel zusammenarbeiten, bringt es gut auf den Punkt: „Wie sorge ich dafür, dass mein Kandidat bei seinem Chef kündigt?“
An der Stelle greife ich gerne nochmal das Stichwort der passiv Arbeitssuchenden auf. Das können auch Quereinsteiger sein. Der große Vorteil ist, dass wir Kandidat:innen identifizieren können, die nicht aktiv suchen.
Ihr Kandidat ist bspw. Samstagabend zu Hause, schaut eine Serie auf Netflix und parallel auf Instagram irgendwelche Influencer an. Zwischendurch sieht er Ihre dort platzierte Werbeanzeige, klickt drauf, landet auf einer besonderen Art von Stellenanzeige und kann sich anschließend in nur zwei Minuten ohne Lebenslauf bewerben. Den hat sowieso kaum einer auf seinem Handy, vor allen Dingen nicht, wenn er derzeit NICHT auf Stellenportalen unterwegs ist.
SQUT: Das heißt, wenn ich Callcenter-Betreiber bin, muss ich Angst haben, dass Sie uns Mitarbeiter:innen wegnehmen?
Hintz: Genau. Allerdings indirekt. Schauen wir uns einen Personalvermittler an. Er spricht potenzielle Kandidat:innen online und offline an. Wer sich ansprechen lässt, wird weitervermittelt und dem Betrieb „weggenommen“. Bei uns ist es genau umgekehrt. Wir treten nicht als Mittelsmann auf. Im Grunde machen wir das Personalmarketing im Namen des Callcenters, für das wir arbeiten. Die Kandidat:innen, die unsere Stellenanzeigen sehen, sehen nur das Callcenter, bei dem sie sich bewerben.
SQUT: Gibt es Erfahrungswerte aus der Branche, mit wie vielen Bewerber:innen man rechnen kann?
Hintz: Die gibt es. Gemeinsam mit ein paar Callcentern, unter anderem der Triple S Manufaktur aus Bochum, haben wir die Methode für Callcenter perfektioniert. Bei über zwölf Callcentern waren wir bereits erfolgreich tätig. Bisher haben wir in jedem Fall Erfolg gehabt. Um ein paar Zahlen zu nennen: Häufig bewegen wir uns, je nach Größe und Standort des Callcenters, zwischen fünf und acht neuen Einstellungen pro Monat. Es ist immer wieder spannend zu sehen, wenn wir noch am Tag der Liveschaltung die begeisterte Rückmeldung bekommen, dass bereits die ersten Bewerbungen angekommen sind.
SQUT: Wie schaffen Sie es, dass man genau bei der richtigen Zielgruppe sichtbar wird und möglichst wenig Streuverlust hat?
Hintz: Wir haben eine Technologie, die es uns ermöglicht, nach geeigneten Kandidat:innen auf der Grundlage von Standort, Interessen usw. zu suchen und festzustellen, ob jemand für einen Wechsel offen ist.
SQUT: Was funktioniert bei der digitalen Mitarbeitergewinnung und was nicht, im Vergleich zu konservativen Methoden?
Hintz: Ein wichtiger Faktor ist, wie attraktiv ein Betrieb als Arbeitgeber ist. Ich kann mich mithilfe von Google über das Unternehmen informieren, Bewertungen lesen usw. Und wer sich gar nicht zeigt, hat ohnehin diese Kandidat:innen verloren. Intransparenz ist ein No-Go. Das war früher natürlich anders.
Außerdem ist Social Media schnelllebig. Wer auf komplizierte Bewerbungsverfahren auf der Karriereseite setzt, wird mit Social Media wenig Erfolg haben. Auch an dieser Stelle nutzen wir eine spezielle Technologie, mit der Bewerben spielerisch einfach wird und die Bewerberin oder der Bewerber im gleichen Atemzug nach Qualifikationen sortiert wird.
Ein weiterer Faktor ist das Thema „Hochglanzwerbung“. Davon müssen sich Callcenter verabschieden, wenn sie über Social Media erfolgreich Mitarbeiter:innen gewinnen möchten. In der Vergangenheit haben wir bereits mehrmals den Fall gehabt, dass unkonventionelle Anzeigen wie z. B. sogenannte Memes die besten Antwortraten erzielt haben. Lieber mal ein Foto oder Video vom Unternehmen mit dem iPhone aufnehmen, als mit professionell geschossenen Fotos in Schönheit zu sterben.
SQUT: Wie lange dauert es vom ersten Kontakt zu Ihnen, bis zum ersten Bewerber? Meist hat man ja schon Selbstversuche zur Mitarbeitergewinnung hinter sich und dann ist es eher dringend, wenn man jemand Externen um Hilfe bittet.
Hintz: Zurzeit sind es zwei bis drei Wochen. Nach dieser kurzen Zeitspanne startet die Werbung und häufig kommen bereits am ersten Tag die ersten Bewerbungen. In Ausnahmefällen gab es auch schon mal eine Vermittlung innerhalb einer Woche. Ich möchte an dieser Stelle auch nochmal betonen, dass hier der schnelle Strategiewechsel wichtig ist, denn auch andere Wettbewerber auf dem Arbeitsmarkt springen auf den Zug auf und schnappen Ihnen die guten Leute weg.
SQUT: Callcenter-Dienstleister hadern oftmals mit dem branchentypischen Peakgeschäft. Teilweise muss man Mitarbeiter:innen wieder freisetzen, um dann beim nächsten Neukunden wieder zu rekrutieren. Was raten Sie Ihren Kunden, um hier nicht in einen Kreislauf der Fluktuation zu geraten?
Hintz: Grundsätzlich ist es sinnvoll, ein dauerhaftes System zu nutzen, mit dem erfolgreiches Recruiting nicht mehr zum Zufallstreffer, sondern zu einem zuverlässigen Mitarbeitergewinnungssystem wird.
In Peak-Zeiten den Turbo mit bezahlten Anzeigen einschalten und stark rekrutieren. In ruhigeren Zeiten nicht alles wieder fallenlassen, sondern Recruiting eher auf Sparflamme laufen lassen und auf die Arbeitgeberattraktivität bzw. das Employer Branding fokussieren. Die nächste Rekrutierungsphase wird davon stark profitieren. Somit haben Sie potenzielle Kandidat:innen bereits auf sich aufmerksam gemacht und müssen sie im Prinzip nur noch mit einer Werbebotschaft fragen, ob diese bei Ihnen anfangen möchten.
Das Spannende an der Stelle ist, dass der Callcenter-Betreiber Projekte guten Gewissens annehmen kann, da er sich ein Recruiting-System aufgebaut hat, von dem er weiß: Er muss es nur noch starten und bekommt passende Bewerber:innen für seine neu gewonnenen Projekte.
Tibor Hintz: Geschäftsführender Gesellschafter und Gründer der job bude digital ist Social Media Experte mit Erfahrung seit 2015 und einem verwalteten Social Media Budget von über 2 Mio Euro Er kümmert sich um die strategische Begleitung der Klienten bei der Mitarbeitergewinnung.