Pressespiegel

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Oder: Was wir aus den letzten Jahren gelernt haben und noch lernen müssen

„Arbeit in Zukunft ist jene Leidenschaft, die sich selbst bezahlt“ – so brachte Charles Handy vor 15 Jahren die Utopie von „New Work“ auf den Punkt.

Eine Utopie – also laut Duden, eine „Idee, die so wirklichkeitsfern oder fantastisch ist, dass man sie nicht verwirklichen kann“ – schien es noch vor einigen Jahren zu sein, selbstbestimmt zu arbeiten. Dabei war diese Vision zu Beginn des 21. Jahrhunderts gar nicht so utopisch. Vernetzte Wissensarbeit schien die „neue“ Lösung, um die Arbeit zu revolutionieren. Flexibel und selbstbestimmt sollte die neue Arbeit sein. 

Sollte … aber gab es sie wirklich, die Revolution der Arbeit? Die sagenumwobene 4. industrielle Revolution? Den kompletten Umschwung dessen, was wir bisher unter Arbeit verstanden haben? 

Was es gab in den letzten Jahren, waren Fortschritte. Der Wandel wurde gezwungenermaßen angestoßen, es gab die Pflicht, Abstand zu halten und dadurch die Notwendigkeit, remote zu arbeiten und neue Lösungen zur Zusammenarbeit zu finden. Aber reicht das, um von der großen Revolution zu sprechen? Reicht das, um die „neue Normalität“ einzuläuten?

Die neue und die alte Normalität

Denn wie ist es nun, das New Normal? Die alte Normalität war klar umrissen. Ca. 90 % von uns Wissensarbeiter:innen waren im Büro zu finden. Meist zu geregelten Arbeitszeiten werkelten wir in Großraum- oder auch Einzelbüros von uns hin, unterbrochen von Meetings, externen Terminen und dem Plausch an Kaffeemaschine oder Wasserspender. Die Zahl derer, die schon damals – anno 2019 – ihrer Arbeit im Homeoffice nachging, war noch nicht sehr hoch. Mobile Worker und digitale Nomaden waren noch die Paradiesvögel, denen vielfach neidisch hinterhergeschaut wurde. 

Dann kam Covid-19 in unser Leben. Der erste Lockdown begann. Und mit ihm eine fast panikartige Flucht in die eigenen vier Wände. Nicht nur Arbeitnehmer:innen, auch die Arbeitgeber waren vielfach überfordert von der Homeoffice-Pflicht–. Was folgte, konnte man nicht als Revolution bezeichnen.

Revolution

[Re·vo·lu·ti·o̱n]

Substantiv

  1. pol.

der Vorgang, dass die in einem Staat bestehenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse mit Gewalt zerschlagen und eine neue Regierung und Gesellschaftsordnung etabliert werden

„die Französische Revolution“

  1. übertr.

die grundlegende Neuerung von etwas

„Die Zwölftonmusik war eine Revolution in der Musik.“

  1. astron.

der Umlauf eines Himmelskörpers um ein Zentralgestirn

„die Revolution des Mondes um die Erde“

Die grundlegende Neuerung oder eine neue Gesellschaftsordnung. Nein, das war tatsächlich nicht zu beobachten. Die, die schon vorher im Homeoffice arbeiteten, sind einfach dortgeblieben und die, die zuvor noch nie eines hatten, wurden zunächst an behelfsmäßige Arbeitsplätze in ihr Heim verfrachtet. Schnell wurden Endgeräte und Lösungen beschafft, ohne einen großen Plan zu haben. Nun gut, es hat irgendwie funktioniert. Aber deshalb war und ist es auch nur irgendwie eine Revolution. 

Nun sollte man meinen, dass in den letzten zwei Jahren bei allen Unternehmen genug Zeit war, um den Plan, den sie zu Beginn des ersten Lockdowns nicht hatten, zu erarbeiten und zumindest teilweise in die Tat umzusetzen. Und ich will nicht pessimistisch sein, denn bei vielen ist dies auch so. 

Vielfach wurden 

  • Leitlinien für die Arbeit der Remote Worker aufgestellt, 
  • Arbeitsplätze an offizielle Richtlinien angepasst, 
  • die passende Technik und Infrastruktur für das Homeoffice bereitgestellt und es erfolgte ein 
  • Onboarding für die neuen digitalen Kommunikation- und Kollaborations-Lösungen. 

Nur leider ist dies immer noch nicht flächendeckend der Fall. Insbesondere kleinere Unternehmen sind nach wie vor mit dem Thema Neues Arbeiten überfordert, können die Komplexität des Begriffs nicht fassen und erst recht nicht umsetzen. 

Erst, wenn diese auch das nötige Wissen und die Werkzeuge haben, kann auch von einer Revolution gesprochen werden. 

Also: Hat sich die unsere Einstellung zur Arbeit in den letzten beiden Jahren geändert? Ja!

Sind wir flexibler geworden und wissen auch andere Arbeitsräume zu schätzen? Ja!

Auch unser Führungsstil und die Kommunikation haben sich deutlich gewandelt. 

Wandel: Ja – Revolution: Noch nicht

Ich stimme zu, dass es einen Wandel von Arbeit und Arbeitsplatzkonzepten, ausgelöst oder vielmehr vorangetrieben durch die Pandemie, gegeben hat. Aber die Revolution, die viele propagieren, hat meiner Meinung nach noch nicht stattgefunden. 

Wie ist es sonst zu erklären, dass, kaum gibt es Lockerungen und sinken die Zahlen, Unternehmen anfangen, die Belegschaft wieder zurück in die Büros zu rufen? Das wohl bekannteste Beispiel: Elon Musk. Aber auch andere versuchen, die Mitarbeiter:innen wieder in die Büros zu locken, mit neuen Möbeln oder auch, wie der Spiegel, mit einer kostenfreien Kantine. 

Von einer rein pessimistischen Warte aus könnte man meinen, die Unternehmen möchten wieder die Kontrolle über die Mitarbeiter:innen erlangen, sie wieder vor Ort haben, wissen, wer wann, woran und vor allen Dingen wieviel arbeitet. 

Aber wir wollen ja optimistisch in die Zukunft schauen. Denn, lassen wir mal Tesla außen vor, es geht den meisten Unternehmen nicht darum, die Mitarbeitenden wieder 40 Stunden pro Woche in die Unternehmen zu holen. Vielmehr geht es darum, ein hybrides Arbeitsplatzmodell zu schaffen. 

Das zeigen Beispiele wie Twitter oder die Deutsche Bank. Das amerikanische Unternehmen Twitter stellt seinen Mitarbeiter:innen frei, ob sie nach der Krise wieder ins Büro kommen wollen. Wenn nicht, ist auch uneingeschränkt Homeoffice möglich. Für die Ausstattung des Remote Office werden ihnen bis zu 1000 Dollar zur Verfügung gestellt.

Die Deutsche Bank will ein permanentes Homeoffice-Konzept einführen, bei dem die Mitarbeiter:innen bis zu drei Tage im Homeoffice arbeiten können, wenn sie möchten. Alle fünf Jahre erhalten sie außerdem eine Aufwandsentschädigung von 1000 Euro. Der Gedanke, nur zwei bis drei Tage remote zu arbeiten, ist dabei nicht neu.

Die aixvox hat schon 2017 auf die Vorteile von zwei Tagen Homeoffice pro Woche verwiesen.

Und bei diesem Punkt sind wir wieder bei der Revolution, die nicht erst 2019 begann, sondern deren Grundstein schon vor Jahren gelegt wurde. Denn hier ist er wirklich, der grundlegende Wandel im Denken: Unternehmen erkennen, dass es nicht nur einen Ort der Arbeit gibt, sondern mindestens zwei, bestenfalls sogar drei. Sie erkennen, dass ein hybrides Arbeitsmodell auf vielen verschiedenen Ebenen neue Chancen für die Zukunft bietet und das Arbeitnehmer:innen dies deutlich befürworten würden.

Dies unterstreichen auch verschiedene Studien.

  • Die Adecco Group ermittelte, dass sich drei von vier Büroangestellte eine Kombination aus Büroanwesenheit und Remote Work wünschen. 
  • Laut einer Salesforce-Studie sehen 74 % der befragten Mitglieder der Generation Z ein hybrides Arbeitsmodell oder ausschließlich remotes Arbeiten als deutlich positiv an. Langfristig gesehen wünschen sich insgesamt 64 % der von Salesforce befragten Arbeitnehmer:innen die Möglichkeit, zumindest teilweise im Büro bzw. außerhalb der eigenen vier Wände zu arbeiten.

Arbeitsort(e) der Zukunft? 

Wie soll er also aussehen der Arbeitsplatz der Zukunft? Leider gibt es auf diese Frage keine allgemeingültige Antwort. Hier liegt es tatsächlich bei den Unternehmen, zu entscheiden, denn nur sie kennen ihre Prozesse, Workflows und ihre Mitarbeiter:innen. 

Was wir bereits jetzt sehen, ist eine Tendenz, die sich in den letzten beiden Jahren gebildet hat. Viele Unternehmen haben erkannt, dass Mitarbeiter:innen durchaus produktiver sein können, wenn sie mehr Freiraum haben und man Flexibilität zulässt. Sie haben aber auch gesehen, dass die Kommunikation der Teams und das Socializing oftmals nicht optimal sind, wenn nur über Text, Telefon und Video kommuniziert wird. Auch fehlt hierbei die Gruppendynamik, die man nur erreicht, wenn Menschen zusammen an einem Ort arbeiten. 

Die Zukunft liegt also weder nur im Homeoffice noch nur im standortbasierten Arbeiten. Vielmehr wird es neben dem Office und dem Homeoffice noch eine weitere Dimension geben: Die sogenannten dritten Orte. 

Dabei handelt es sich um Co-Working-Spaces (auch innerhalb der Unternehmen), Corporate Spaces, Hotel-Lobbys aber auch beispielsweise um Parks, Gastronomie, andere Unternehmen etc.

Ziel muss es sein, einen Dreiklang aus Office, Homeoffice und dritten Ort zu schaffen, an denen Mitarbeiter:innen für unterschiedliche Tätigkeiten die richtigen Voraussetzungen finden. Beispielsweise Ruhe für konzentriertes Arbeiten im Homeoffice, einen optimal ausgestatteten Meetingraum für das Board-Meeting und einen weiteren ansprechenden Raum für kreative Teammeetings. Die Unternehmen auf der anderen Seite müssen definieren, für welche Mitarbeiter welche Optionen sinnvoll ist. Neben dem Blick auf die Produktivität gilt es ebenso, das Wohlbefinden der Mitarbeitenden nicht aus den Augen zu verlieren.

Ein Augenmerk muss auch auf die immer schwieriger werdende Abgrenzung von Beruf und Familie gelegt werden. Es gilt, strategisch relevante Orte zu schaffen und anzubieten, die kulturprägend wirken und die Performance der Mitarbeitenden und somit auch die Profitabilität des Unternehmens unterstützen.

Fassen wir also zusammen und kehren zum Anfang des Textes zurück. 

Ist die neue Normalität eine Utopie? Nein, die neue Normalität ist nur noch nicht da. Behelfslösungen und Übergangsarbeitsplätze sollten und können nicht die neue Normalität sein. 

Gab es eine vierte Revolution der Arbeit? Nein! Es gab einen Wandel, ein Umdenken, angestoßen durch den Digitalisierungsturbo der Pandemie. 

Wird es eine Revolution geben? Ja, wahrscheinlich schon, aber erst, wenn der Wandel weiter fortgeschritten ist. Wenn die Technologie sich noch weiterentwickelt hat. Wenn sich die verschiedenen Plätze der Arbeit weiter etabliert haben.

Bis dahin unterstützen wir mit Wissen, positiven Beispielen und Optimismus weiterhin das Fortschreiten des Wandels und die Entwicklung eines neuen Arbeitens. 




Autorenkasten

„Einfach Anders Arbeiten“ ist seit mehr als 15 Jahren ‚sein‘ Thema - in Workshops, Beratungen, Publikationen und Events. Detlev Artelt ist Geschäftsführer der aixvox GmbH, einem herstellerunabhängigen Beratungsunternehmen aus Aachen. Der Experte für Online Arbeit des eco e.V. leitet die Kompetenzgruppe Business Communications bei der EuroCloud und ist auch als Sprecher, Moderator sowie Beirat auf internationalen Kongressen tätig. Zudem ist er Co-Founder des Beraternetzwerks NEUWORK. Unter dem Brand „Einfach Online Arbeiten - EOA.live“ bietet er zudem mit einem Team an Experten die Konzeption und Durchführung von virtuellen und hybriden Events an. Detlev Artelt ist Herausgeber und Autor der Fachbuchreihe „voice compass“, den „PRAXISTIPPS Kundenkommunikation“ sowie von „EINFACH ANDERS ARBEITEN“.